Sea King - Mehr als nur ein Rettungshubschrauber

Von Heiko Jerke und Jean-Georg Martin, übernommen aus www.deutschemarine.de

Eine Katastrophe, ein Unglück ist geschehen. Eine Havarie vielleicht? Das Boot ist leck geschlagen, Wasser dringt ein. Es droht zu sinken und kein Schiff, keine Hilfe ist in unmittelbarer Nähe. In diesem Moment erreicht die Männer vom Search And Rescue Team (SAR) in Warnemünde ein Funkspruch. Sofort wird der Start eines Sea King MK 41 eingeleitet.

Später, während des Einsatzes: Der Hubschrauber schwebt in geringer Höhe über dem in Seenot geratenen Boot. Die Winsch wird betätigt und ein Besatzungsmitglied wird auf dem Bootsdeck abgesetzt, um den in Seenot geratenen Seeleuten das Rettungsgeschirr anzulegen. Ein letzter Blick nach oben zum Rettungshubschrauber. Nach und nach werden alle Besatzungsmitglieder des inzwischen aufgegebenen Bootes in den Hubschrauber gewinscht. Höhenunterschied etwa 20 Meter.

Dies ist lediglich ein durchgespielter, angenommener Ernstfall, der in der Praxis jedoch durchaus häufig vorkommt.

Dieses Manöver ist nur eine Variante des breiten Einsatzspektrum des Sea King MK 41, bei dem der Adrenalinausstoß bei allen Beteiligten nicht gerade gering ist.

Übrigens, dieser Übungseinsatz beginnt auf dem Hubschrauberlandeplatz der SAR Außenstelle im Marinestützpunkt Hohe Düne Rostock/Warnemünde. Der dort startbereit stehende Sea King MK 41 wirkt aus einiger Entfernung schon recht imposant, aber je mehr man sich ihm nähert, um so beeindruckender wird er. Die Stammeinheit der Außenstelle ist das Marinefliegergeschwader 5 (MFG 5) in Kiel. Hubschrauberführer, Oberleutnant zur See Thomas Roth, und sein Navigator, Oberleutnant zur See Frank W. Kruel, gerade im Begriff, an Bord des Sea King MK 41 zu gehen wirken recht gelassen in Anbetracht des bevorstehenden Übungseinsatzes, was auf eine umfangreiche Flug und Einsatzerfahrung schließen lässt. Die übrige Besatzung wird komplettiert durch den Bordmechaniker Hauptbootsmann Andreas Grau, den zweiten Hubschrauberführer Oberleutnant zur See Diethmar Hohnholz, den Techniker (1. Wart) Oberbootsmann Rene Splittgerber, Flugzeuggerätemechaniker (VwdgR 55) Maat Matthias Zink (2. Wart) sowie Außenstellenleiter Oberbootsmann Andreas Kröger.

Der SAR - Hubschrauber dient überwiegend der Seenotrettung. Sollte ein Unglücksort den Einsatzradius von dreißig Minuten überschreiten, unterstützen die angrenzenden Nationen Dänemark, Schweden und Polen das SAR-Team bei der Bergung von verletzten Personen. Der Transport dieser auf das Festland stellt eine der Hauptaufgaben der Hubschrauberbesatzungen dar.

Aber ist der Sea King MK 41 wirklich "nur" ein Rettungshubschrauber? Nein, - neben dem Luftrettungsdienst wären da noch Kampfeinsätze. Ausgestattet mit 4 Flugkörpern ist der Sea King MK 41 in der Lage, zu jeder Zeit ins Kampfgeschehen einzugreifen.

Einen Helikopter zu fliegen ist weitaus schwieriger, als man sich das landläufig vorstellt. Oberleutnant zur See Thomas Roth fliegt seit 6 Jahren den Sea King MK 41 und meint: "Ohne eine langjährige Flugausbildung bliebe der Beruf eines Piloten nur ein Traum. Gleichzeitig ist Flugerfahrung beim Führen eines Hubschraubers ein ganz wichtiger Faktor. Übrigens ist die Ausbildung zum Hubschrauberpilot ebenso kostenintensiv, wie die eines Jetpiloten."

Die Piloten sind aber nicht die einzigen Crew-Mitglieder, auf die man sich verlassen können muß. Da wäre noch der Bordmechaniker Hauptbootsmann Andreas Grau (VwdgR 55). Bei dieser Verwendungsreihe herrscht ein großer Personalmangel. Sie sind diejenigen, deren Ausbildung die meiste Zeit in Anspruch nimmt.

Erwähnenswert sind einige technische Besonderheiten des Sea King MK 41, wie der Radarhöhenmesser, das Navigations-Radar und der Doppler. Diese technischen Ausrüstungsteile unterliegen ebenso einer ständigen, strengen Kontroll- und Instandsetzungsroutine, wie die übrige Hubschrauber-Technik. Alle Radarinstrumente müssen absolut präzise und fehlerfrei funktionieren.

Der Hubschrauber erreicht einen Dienstgipfel von 3050 Metern sowie einen maximalen Aktionsradius von 500 Kilometern. Vollgetankt ermöglicht dies der Crew eine Flugzeit von maximal fünf Stunden.

Bis zum Start muss der Hubschrauberführer, Thomas Roth, einschließlich der übrigen Besatzung allerdings noch umfangreiche Flugvorbereitungsmaßanhmen durchführen. Denn nun muss an Bord noch der Preflight-Check gewissenhaft durchgeführt werden. Davor war eine Flugplanung (Briefing) im Briefingraum der Staffel fällig. Zu den Flugvorbereitungen zählen das Festlegen der Flugroute, der Wetterabruf sowie Verständigung der Feuerwehr.

Verwirrend, wie viele verschiedenen Schalter während des Preflight-Check betätigt werden müssen. Vor einem Einsatz müssen diese Abläufe reibungslos von der Hand gehen. Die Einsatzbereitschaft beträgt tagsüber 15 Minuten, ab Anbruch der Dunkelheit 60 Minuten.

Nachts wird ein Einsatz erheblich schwieriger. "Im Dunkeln eine Person im Wasser zu finden ist vergleichbar mit einem Sechser im Lotto," erklärt Oberleutnant zur See Thomas Roth. Zu seinen bisherigen Einsätzen zählen unter anderem das Hochwasser im Oderbruch, das Absichern und Abbergen von in Seenot geratenen Schiffen sowie der Transport von Verletzten auf das Festland. In den 40 Jahren hat der Luftrettungsdienst der Bundeswehr über 240.000 Einsätze geflogen, davon mehr als 6.500 im vergangenen Jahr.

Zu den dramatischsten Einsätzen der SAR-Teams gehört die Hilfe während der Hamburger Flutkatastrophe von 1962, bei der circa 80 Helikopter rund um die Uhr Menschen aus den Fluten retteten und von den Dächern ihrer Häuser bargen.

Auch als 1998 ein ICE-Zug in der Nähe des niedersächsischen Eschede durch einen defekten Radreifen entgleiste, flog der SAR-Dienst zahlreiche Einsätze.
Viele Menschen verdanken den fliegenden Rettern mittlerweile ihr Leben. Die Redaktion "Blaue Jungs" wünscht den SAR-Rettungsteams für ihre zukünftigen Einsätze weiterhin das sichere Gespür für das Handling schwieriger Situationen.