Die Entwicklung des Fliegerhorstes Kiel-Holtenau



Voßbrook --- 1. Weltkrieg --- Revolution1918  --- Quarantänestation ---  SEVERA --- 2. Weltkrieg --- British Kiel Yacht Club --- Wiederaufbau - MFG 5 --- 1./MFG 4 --- Abgabe Oberland

Das Gelände des Marinefliegerhorstes Kiel-Holtenau, bestehend aus „Oberland“ und „Unterland“, hat seine Ursprünge bereits im letzten Jahrhundert. Im Laufe von über 100 Jahren hat sich nicht nur die Art der Nutzung, sondern auch das Gesicht dieser Landschaft verändert. Am bemerkenswertesten ist wohl die künstliche Erschaffung des „Unterlandes“; aber dazu später.

Ursprünglich war dieses Gebiet sehr uneben, mit vielen Knicks durchsetzt und nur mit einigen Katen bebaut. Der Voßbrook (Uferbereich) gehörte damals zum Meierhof und wurde als Holzweide genutzt. Die Uferlinie verlief damals etwa entlang des Abhanges des heutigen „Oberlandes“.

Im Jahre 1865 fällt das Voßbrooker Gelände sowie die Stegelhörner Bucht in das Augenmerk des Militärs. Grund war die Verlegung der Marinestation Ostsee von Danzig nach Kiel. Eine Kommission unter der Leitung von Generalstabschef Moltke hatte den Auftrag, einen geeigneten Platz für die Errichtung eines „Marine-Etablissements“ (Werft) zu erkunden. Es blieb jedoch bei der Planung; der Krieg mit Österreich verhinderte die Durchführung, und nach Friedensschluß gab man dem Ostufer bei Gaarden-Ellerbek für den Bau einer Werft den Vorzug. Am Strand von Voßbrok entstand statt dessen 1867 eine Quarantäneanstalt der westlichen Ostseehäfen. Es wurden Baracken mit Krankensälen, Desinfektionsräumen, Leichenkammern usw. errichtet, die man später im Volksmund „Cholerabaracken“ nannte. Hier wurde jeweils die komplette Besatzung eines jeden Schiffes einquartiert, das epidemische Kranke an Bord hatte oder aus Häfen kam, in denen eine ansteckende Krankheit ausgebrochen war. Das letzte Gebäude dieser Einrichtung wurde erst 1976 wegen Baufälligkeit abgerissen.

Da Kiel inzwischen Reichskriegshafen geworden war, entstanden rund um die Förde einige Verteidigungswerke. Dazu zählte auch das Fort Holtenau, welches 1867 bis 1890 landeinwärts hinter der Quarantäneanstalt, also auf dem heutigen Landflugplatz gebaut wurde.

Um den Wirkungskreis dieses Forts zu vergrößern, kaufte die Marine 1889 den Strand vor der Hölzung Voßbrook und zahlte außer dem Grundpreis noch eine Entschädigung für die Abtrennung des Waldes vom Strand. Die Bäume wurden niedergelegt, und ein freies Schußfeld in Richtung der Förde wurde geschaffen. Mit Beginn des Ersten Weltkrieges setzte auch für das Sperrfort die volle Verteidigungsbereitschaft ein; der Ernstfall ist hier aber nie eingetreten.

Dafür entwickelte sich hier ein völlig neuer Bereich der Seekriegsführung, nämlich die Marinefliegerei. Seit der Geburt des Flugzeuges war das Militär ständig an einer optimalen Nutzung interessiert, und so kann es nicht verwundern, dass die Seefliegerei schon frühe geistige Väter hatte.

Die Marine brauchte also Seeflughäfen und wählte für dieses Projekt Putzig in Westpreußen und den 1889 gekauften Strand von Voßbrook. Hier hatte man in den Jahren 1913/14 Unmengen von Erdmassen aufgeschüttet, die aus dem Kanalbau stammten; eine 300 m breite und etwa 400 m in die Förde reichende Halbinsel war so entstanden.


Bau der Halle 1 im Jahr 1913
Fotos aus Militärgeschichtlicher Sammlung Cayé in Holtenau

Auf dieser künstlichen Ebene wurde vorerst eine provisorische Start- und Landebahn gebaut, die im Sommer 1913 erstmals genutzt werden konnte. Genau ein Jahr später wurde die Marineflieger-Abteilung aus der Danziger Bucht hierher verlegt. Holtenau diente damit als Mutterstation für das Fliegerwesen der Marine.

Kurz vor Beginn des Weltkrieges, und zwar am 25.6.1914, war der erste tödliche Flugunfall des Fliegerhorstes zu verzeichnen. Ein Gedenkstein in Holtenau erinnert heute noch an den Tod des damaligen Kommandanten der Fliegerstation, Kapitänleutnant Walter Schroeter.

Während des Ersten Weltkrieges wurden von Holtenau aus die Ostseezugänge durch Aufklärungsflüge überwacht sowie Nachwuchs für das fliegende Personal der Seefliegerei ausgebildet (siehe: "Alltags"-Bericht vom Flugdienst 1918). Ansonsten sind wenige kriegerische Ereignisse im Gegensatz zu den Seefliegerstationen in Flandern und im Baltikum zu verzeichnen, da man von den Kriegsschauplätzen zu weit entfernt lag. Gegen Ende des Krieges im Jahre 1918 wird ein alter Plan von 1913 wieder aus der Schublade gezogen. Es handelt sich um den Bau eines Torpedoboothafens und einer Uboot-Werft bei Stegelhörn (heute Plüschow-Hafen). Mit einem enormen Aufwand beginnen die Bauarbeiten.

Unzählige Arbeiter aus dem ganzen Land wurden herbeigeholt und in Baracken untergebracht. Das Gelände zwischen Voßbrook und Schusterkrug mußte zunächst abgetragen und geebnet werden. Dazu wurden gewaltige Erdmassen bewegt, die wiederum zur Auffüllung des Geländes bei Stegelhörn Verwendung fanden, denn hier sollte ein Güterbahnhof entstehen.


Zwei Eindecker Hansa-Brandenburg 1918 über Holtenau
Fotos aus Militärgeschichtlicher Sammlung Cayé in Holtenau

Die Lagerräume für die Torpedos waren fast fertig, die von Neu-Wittenbek ausgehende Eisenbahnstrecke war schon bis Altenholz gelangt und umfangreiche Bauarbeiten sonstiger Art in vollem Gang, als der Krieg im November 1918 beendet wurde. Das Projekt wurde somit hinfällig, die Bauarbeiten eingestellt und die Arbeiter entlassen.

Das Baugelände selbst blieb lange ungenutzt, Grundwasser zerfraß die Rohbauten und es entstand ein Bild der Verwahrlosung.

Selbst das anliegende Fort Holtenau konnte einer Zerstörung nicht entgehen. Es wurde geschleift, was bedeutet, dass sämtliche Kanonen und Kasematten gesprengt und die Befestigungsanlage eingeebnet wurden. Auch hier entstand ein Bild der Trostlosigkeit. Für die Marineflieger-Abteilung bedeutete das Kriegsende gleichzeitig ein Ende der aufstrebenden fliegerischen Entwicklung, wenngleich der Standort auch nie ganz aufgegeben wurde. Die Ausweisung als internationale Luftverkehrszentren bewahrte die Flugplätze Holtenau und Norderney vor der endgültigen Zerstörung. Bereits am 2.12.1918 nahm man hier den Dienst wieder auf, aber die Station war in einem schlimmen Zustand. Aus den Flugzeugen hatte man die Motoren ausgebaut, und teilweise waren sie sogar ganz zerstört. Die Hallen und Gebäude boten ein Bild wildester Unordnung, die Lagerräume waren vielfach geplündert.

Aus dem Tagebuch eines ehemaligen Offiziers lässt sich entnehmen, wie sich die Situation im Dezember 1918 darstellt:

„Ein Soldatenrat war inzwischen eingesetzt. Neben dem Kommandeur, Kapitän zur See Mehnert, stand der Obermatrose Koch als Kommandeur. Neben dem Stationsleiter, Oberleutnant zur See Dehn, stand ein Matrose. Arbeit war durch den Ausbau der Motoren aus den Maschinen kaum noch vorhanden, und die wenige noch auszuführende Arbeit konnte nie zu Ende verrichtet werden, da der Soldatenrat immer dazwischen funkte. Dafür trat aber eine erhebliche Solderhöhung ein. Nur wenn ein Prahm mit Koks gelöscht werden sollte, waren meistens an erster Stelle die da, die sich sonst vor aller Arbeit drückten, weil in diesem Fall eine Zulage gezahlt wurde.“

Der hier genannte Soldatenrat konnte sich nicht behaupten; bis Ende Dezember des Jahres 1918 war er sang- und klanglos verschwunden. Für die Einhaltung der Versailler Verträge sorgten alliierte Abrüstungskommissionen, die in regelmäßigen Abständen das Geschehen vor Ort kontrollierten.

Gerade 10 Maschinen standen noch flugklar zur Verfügung, die nur 1 bis 2 Übungsflüge pro Tag absolvierten. Von einem regen Flugbetrieb, wie man ihn aus den Jahren 1914 bis 1918 kannte, konnte keine Rede sein. Gemäß den Bestimmungen des Versailler Abkommens durften bis zum 22. Mai 1922 keine Flugzeugneubauten erfolgen. Man musste also zusehen, wie man mit den wenigen Flugzeugen zurecht kam.

Die Verhältnisse beruhigten sich - langsam - wieder, und im strengen Winter 1919/1920 konnten sogar regelmäßige Versorgungsflüge zu den eingefrorenen Schiffen in der Förde durchgeführt werden.

Aber bereits im März 1920 bringt ein weiteres Ereignis den Flugbetrieb zum Stillstand: der Kapp-Putsch. Alarmbereitschaft wird hergestellt, Ausgangssperre verhängt und schwer bewaffnete Patrouillen gehen Runden im Standort. Nur diesen Sicherungskräften ist es zu verdanken, dass eine Arbeitergruppe von ca. 100 Mann, davon die Hälfte bewaffnet, nicht auf die Station gelangen konnte.

Letztendlich erwiesen sich aber alle Bemühungen als nutzlos, denn Ende März 1920 veranlassen die Alliierten die endgültige Zerstörung der Flugzeuge. Bis Ende September wurden insgesamt 41 Flugzeuge und 78 Motoren vernichtet.

Hier vergrößern! Klick to enlarge!  Zerstörung der Flugzeuge 1920
Fotos aus Militärgeschichtlicher Sammlung Cayé in Holtenau

Am 9.9.1920 findet dann der letzte Appell der 1. See-Flieger-Abteilung statt - die Marineflieger wurden endgültig aufgelöst. Genau zwei Jahre später wurde Holtenau in Kiel eingemeindet. Die Stadt war gerade emsig mit dem Wiederaufbau beschäftigt und plante in diesem Zuge die Aufstellung einer zivilen Luftverkehrsorganisation. Außerdem sollte der Stegelhörner Hafen (der heutige Plüschow-Hafen) ausgebaut und auf dem Voßbrooker Gelände Industrie angesiedelt werden. Da der Seeflughafen militärisch nicht mehr genutzt werden durfte, wollte die Stadt dieses Gelände wie auch das Hinterland erwerben.

Die Marine wollte aber nicht verkaufen, weil sie trotz Verbots ihre eigenen Pläne mit dem Gelände hatte, zu denen auch das Gebiet der Quarantänestation gehörte. Man einigte sich schließlich auf einen Tausch, die Stadt bekam das Hintergelände des Seeflughafens und die Marine das Grundstück der ehemaligen Quarantänestation.

Der Industrie- und Hafenbereich bei Schusterkrug-Stegelhörn wurde als erstes in Angriff genommen. Die Trümmer wurden beseitigt, das Gelände geebnet und das Ufer befestigt, und 1925 begann der Bau einer Mole zum Schutz des Stegelhörner Hafens gegen die Oststürme. Das Projekt der Industrialisierung wurde aber aufgrund der Wirtschaftskrise 1929 sowie der anschließenden Wiederaufrüstung nicht zu Ende geführt.

1925 begannen auch die Planierarbeiten auf dem Gelände des ehemaligen Sperrforts. Der Bedarf eines Landflughafens wurde immer größer, nun sollten die Pläne ausgeführt werden.

Unter Beteiligung des Deutschen Reiches, des preußischen Staates, der Provinz Schleswig-Holstein und der Stadt Kiel wurde im November 1927 die „Kieler Flughafen-Gesellschaft mbH“ gegründet. Am 23.4.1928 wurde dann der Flugbetrieb offiziell auf dem Flugplatz Holtenau eröffnet.

Der Flughafen wurde nun aber nicht nur von zivilen Organisationen wie der deutschen Lufthansa und der Luftdienst GmbH genutzt, sondern auch von der sogenannten, 1927 gegründeten, Fluggesellschaft SEVERA (See-Flugzeug-Versuchsabteilung). Hierbei handelte es sich um eine paramilitärische Organisation, die von Kapitän zur See Lahs ins Leben gerufen wurde, der seit 1925 das Referat AII, 1. Abteilung Luftfahrt im Reichsmarineamt übernommen hatte.

Lahs hatte die Aufgabe, auf allen Gebieten Vorarbeit zu leisten, die durch den Versailler Vertrag eingeschränkt bzw. verboten waren.

So richtete sich also die SEVERA in den Räumen der ehemaligen Seefliegerstation ein und bildete unter dem Deckmantel ziviler Tarnung zukünftige Marineflieger aus. Sogar Seenoteinsätze wurden zu dem Zeitpunkt geflogen; der erste größere Einsatz dieser Art erfolgte am 26.7.1932 bei dem Untergang des Segelschulschiffes Niobe.

Das Kuckucksei bereits im Nest, d.h. die SEVERA auf dem Flugplatz Holtenau eingerichtet, passte die Wirtschaftskrise 1929 der Marine gerade in das Konzept, 1934 sieht sich die Stadt Kiel gezwungen, das ganze erworbene Gebiet, einschließlich der Hafenanlagen, der Mole und des Flugplatzes, an den Staat zu verkaufen. Nur die Kieler Luftfahrtgesellschaft durfte den Platz weiter benutzen, was sie auch bis zu Beginn des Zweiten Weltkrieges getan hat (das heutige Flugabfertigungsgebäude neben dem Kontrollturm ist das umgebaute ehemalige Lufthansa-Abfertigungs-gebäude).

Sehr schnell begann ab 1934 die Wiederaufrüstung. Der Flughafen wurde bis auf die heutige Größe ausgebaut, das Stegelhörner Gebiet eine Kaserne und der Stegelhörner Hafen wurde in „Plüschow-Hafen“ umgetauft. 1935 fiel sogar der Holtenauer Kirchturm diesen Aktivitäten zum Opfer. Er störte die Fliegerei und musste daher gegen einen weit niedrigeren Turm ersetzt werden.

Am 1.3.1937 nimmt mit Aufstellung der Marinefliegerbordgruppe 196 der Standort Holtenau erstmals nach 17 Jahren wieder militärischen Charakter an. Im Oktober 1938 erfolgt die Aufnahme einer Spezialeinheit; die Trägergruppe 4./184, die später von dem noch im Bau befindlichen Flugzeugträger A Graf Zeppelin aus operieren sollte. Die Gruppe wird im September 1939 von der HEINKEL He50 auf die JUNKERS Ju 87, auch Stuka genannt, umgerüstet. Gerade rechtzeitig, um in den Krieg zu ziehen - der diesmal nicht so spurlos am Standort vorüberziehen sollte, wie es der Erste Weltkrieg getan hatte.

Seit 1934 vorhanden, wurde am 30.8.39 offiziell die Seenotzentrale Ost mit der Seenotbezirksstelle Holtenau eingerichtet. Die SAR-Aufgabe des MFG 5 blickt also auch auf eine längere Geschichte zurück.

In dieser Zeit wurde ein Mann durch den Ausspruch bekannt: „Alles, was fliegt, gehört mir!“ Der Oberbefehlshaber der Marine Raeder konnte sich gegenüber Hermann Göring nicht durchsetzen, und so wurden die Marineflieger am 27.1.1939 in die Luftwaffe eingegliedert. Diese Maßnahme stellte sich später als ein verhängnisvoller Fehler heraus, für den man bezahlen musste.

Während die Kriegsgegner zur Unterstützung ihrer Seestreitkräfte Marineflieger einsetzten, hatte Deutschland diesen Vorteil aufgegeben. Die Luftwaffe kannte sich mit der taktischen Seekriegsführung nicht aus und verwendete die neuen Kräfte für eigene Zwecke. Hierbei handelte es sich vor allem um Unterstützung des Heeres wie zum Beispiel der Transport von Einsatzverbänden nach Stavanger, Trondheim, Oslo, Kjeller und Kristiansand (von Kiel-Holtenau ausgehend). Außerdem diente der Standort beim Norwegen-Unternehmen neben Schleswig, List und Hörnum auf Sylt als Operationsbasis.

Eine Nebenaufgabe in dieser Zeit war der Einsatz im Rettungsdienst. An dem 30. August 1939 gab es die Organisation des Seenotdienstes (Luft) im Kriege, aufgestellt vom Reichsminister der Luftfahrt. Die Organisation gliederte sich in die Seenotzentralen West und Ost sowie in die Bezirke Nordsee und Ostsee. Zum Seenotbezirk Ostsee gehörte auch die Seenotbezirksstelle Holtenau, von der aus zahlreiche Einsätze geflogen wurden.

Speziell über den Standort Kiel-Holtenau lässt sich in den Chroniken zu dieser Zeit nichts mehr finden. Auch in den letzten Kriegsmonaten, als Kiel immer mehr von feindlichen Luftstreitkräften attackiert wurde, waren es die Nachbarstandorte Schleswig-Jagel und Eggebek, die von sich reden machten. Holtenau war dagegen nur ein Opfer der wütenden Angriffe auf die Rüstungsbauindustrie der Kriegsmarine.

Der Zusammenbruch im Mai 1945 brachte der deutschen Fliegerei eine mehrjährige Zwangspause, die bis Anfang der 50er Jahre andauerte. Der Standort Holtenau wurde von den Engländern besetzt, die Royal Engineers richteten sich ein, und bereits im Juni 1945 gründeten sie denBritish Kiel Yacht Club, der heute noch besteht.

Da es am Standort selbst keine Boote mehr gab, requirierte Colonel Freezer kurzerhand einige aus dem Olympia-Yacht-Hafen, der wie durch ein Wunder von den Kriegseinwirkungen verschont geblieben war, und ließ sie in den Plüschow-Hafen verholen. Außerdem nahmen sich die Engländer diverse Boote aus der nahen Eider, die dort von deutschen Eignern versteckt wurden. Später gab man diese Boote den Eigentümern in einem besseren Zustand zurück, als man sie vorgefunden hatte.

Die Schrecken des Krieges waren offensichtlich schnell überwunden, denn schon vom 31.8. bis 4.9.1945 wurde die erste Kieler Woche durchgeführt. In der Winterpause holte man die Boote aus dem Wasser, um sie in den alten Flugzeughallen unterzubringen. Reparatur- und Wartungsarbeiten wurden in den Gebäuden bei Stegelhörn (von den Engländern „Stickenhörn“ genannt, der immer noch gebräuchliche Name des Hafens) durchgeführt, und zwar von deutschem Personal.

Überraschenderweise war die Zusammenarbeit zwischen Engländern und Deutschen von Anfang an sehr gut. Einige Namen werden in diesem Zusammenhang auch heute noch genannt, z.B. der von Bruno Splieth. Für den Aufbau ihres Segelvereins benötigten die Briten dringend qualifiziertes Personal, und da aus den Personalien von Splieth (der gerade in Kriegsgefangenschaft war) hervorging, dass er etwas mit Segeln zu tun hatte, übernahm man ihn in den Dienst „Ihrer Majestät“. Es muss ihm gut gefallen haben, denn seine Entlassung war im Januar 1982.

Neben Splieth tauchen in den englischen Chroniken weitere Namen auf, wie Eric Anker, Manni Fromm oder Max Wobert, und machen damit deutlich, wie gut sich die Alliierten mit den Einheimischen arrangiert haben.

Die Royal Engineers und der BKYC (British Kiel Yacht Club) waren nicht die einzigen Benutzer von Holtenau und Stegelhörn. Die Royal Navy bzw. die HMS Charlotte besetzte einige Unterkünfte der „Bromton Barracks“ (Fliegerhost Holtenau). Während die Offiziere in der Messe lebten, wurden die Mannschaften mit den Royal Engineers zusammengelegt. Später kamen drei Schnellboote dazu, die an der Stegelhörner Mole lagen und mit einer deutsch/englischen Crew besetzt wurden. 1955, als die Bundesmarine gegründet wurde, hat man diese Boote an die Deutschen übergeben.

Während dieser Zeit waren auch norwegische Einheiten und die polnische Wachmannschaft, rekrutiert aus ehemaligen Kriegsgefangenen und Zwangsarbeitern, auf dem Fliegerhorst stationiert. Sechs Jahre nach Beendigung des Krieges, nämlich am 28. April 1951, genehmigten die Alliierten den Segelflug. Damit war die langjährige Zwangspause in der Fliegerei endlich beendet, und eine neue Entwicklung nahm ihren Lauf.

Im Mai 1955 erteilten die Alliierten die Erlaubnis für den Motorflugsport. Der Luftsportverein Kiel bekam als erster Verein in Deutschland eine Ausbildungsgenehmigung für die fliegerische Ausbildung. Und im Sommer 1955 war es wiederum der LV Kiel, der als erster eine eigene Maschine (BÜCKLER 181 BESTMANN) in seinen Besitz nahm.

Mit dem Aufstellungsbefehl Nr. 41 - Marine - vom 26.6.1956 wird der Standort Kiel-Holtenau erneut zum Seefliegerhorst!

Die neu eingestellten Offiziere absolvierten zunächst einen Einweisungslehrgang an der Akademie der Marine (der Vorgängerin der Marineschule Mürwik), die sich bereits seit 1955 in Kiel-Holtenau befand, um danach die Aufbauarbeit der Marineflieger zu beginnen. Der Aufbau gestaltete sich anfangs recht schwierig, weil außer dem Befehl und den wenigen Offizieren nichts vorhanden war. Es ging aber gut voran, und am 12.3.1957 wurde schließlich die Aufstellung der 1. Marinefliegergruppe verfügt, die in Jagel stationiert werden sollte (Endgültige Verlegung am 22.7.1958). Holtenau war zu dieser Zeit Sammelstelle verschiedenster Dienststellen. Neben dem Kommando der Marineflieger, der 1. Marinefliegergruppe und der „Fliegertechnischen Schule Holtenau“, teilten sich britische Einheiten, die Marineartillerieschule, das 1. Schnellbootgeschwader und das Musikkorps Ostsee sowie die Standortverwaltung Kiel die Unterkünfte und die Geschäftsräume. Später kam noch das Hauptquartier des COMNAVBALTAP dazu, welches am 31.1.1977 nach Karup verlegt wurde.

Die weitere Entwicklungsarbeit, durchgeführt in dieser räumlichen Enge, stellten für das Kommando der Marineflieger eine fast unlösbare Aufgabe dar.

Im Januar 1958 wurde die Marinefliegerstaffel aufgestellt mit Endstandort Kiel-Holtenau und zum 1.4. des gleichen Jahres die 2. Marinefliegergruppe mit geplantem Endstandort Nordholz (endgültige Verlegung im Februar 1959). Holtenau war damit wieder die Keimzelle der „neuen“ Marineflieger geworden.

Gemäß Umgliederungsbefehl Nr. 1 - Marine - wurden die beiden Marinefliegergruppen am 16.7.1959 in das 1. und 2. Marinefliegergeschwader, die Marine-Seenotstaffel in die Marine-Dienst- und Seenotgruppe umbenannt.

In den folgenden Jahren wurde das Erreichte ausgebaut und gefestigt, bis dann im Jahre 1963 eine weitere Neuplanung durchgeführt wurde. Von der Luftwaffe abkommandiert, zog sich der Brigadegeneral Helmut Mahlke die Uniform eines Flottillenadmirals an und baute bis zum 29.1.1966 vier Marinefliegergeschwader und den Kern des geplanten Marinefliegergeschwaders 4 auf. Die Hubschrauber- und Prop-Einheiten des MFG 5 und die Hubschrauber der 1./MFG 4 hatten ihren Standort in Kiel-Holtenau. Der Auftrag der 1./MFG 4 bestand in der U-Jagd und Minenräumung, der des MFG 5 im Seenotrettungs-, Transport- und Verbindungsdienst. Die Entwicklung des MFG 4 gestaltete sich recht problematisch, und so wurde es bereits 1968 infolge mittelfristiger Finanzplanungen aufgelöst.

An der Gliederung der Marineflieger hat sich seitdem nichts mehr geändert, und heute ist der Fliegerhorst Kiel-Holtenau neben dem MFG 5 durch folgende Einheiten belegt:

  • Stab Marinefliegerdivision (seit 1956)
  • Stab Amphibische Gruppe (seit 1.10.1977)
  • Landungsboote (seit 27.11.1978)
  • Geophysikalischer Meßzug Ostsee (seit 1957, danach gegründet als ballistischer Wetterzug)
  • Sicherheitsboote Schießplatz Todendorf (seit 1987)(1)
  • Nebenstelle der StOV Kiel und des Landesbauamtes (seit 1956)
  • Kiel Training Centre (seit 1945)

In jüngster Zeit hat der Fliegerhorst Holtenau aufgrund der Nutzung durch zivile Fluggesellschaften sehr an Bedeutung gewonnen.

Eigentlich ist die Idee nicht neu, denn schon von 1971 bis 1974 führte die Cimber Air von Holtenau aus zivile Linienflüge durch, die aber aufgrund des damaligen Fluglotsenstreiks eingestellt wurden. Die Stadt Kiel ist gerade als Landeshauptstadt immer daran interessiert gewesen, in das zivile Luftverkehrsnetz integriert zu werden, weshalb man die erneute Aufnahme der Linienflüge gern sieht.

Am 2.11.1987 war die offizielle Eröffnung, und seither führen PanAm und Cimber Air jeweils zwei Flüge pro Tag durch, beide mit dem Flugzeugmuster ATR 42. Während PanAm die Route Kiel - Berlin - Kiel anbietet, fliegt die Cimber Air die Strecke Kiel - Frankfurt - Kiel.

Für das nächste Jahr plant die Cimber Air eine Erweiterung der Flüge nach Kopenhagen. Man kann daran erkennen, dass dem Fliegerhorst Holtenau, wie auch schon in früheren Jahren, nicht nur militärisch, sondern auch zivil eine sehr große Bedeutung zukommt.